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5000 Hours around the world: Liebesgrüße aus Moskau
Liebesgrüße aus Moskau
Als ich aus der Ankunftshalle des Moskauer Flughafens ins Freie trete, meinen 20 Kilo- Backpack auf dem Rücken und den Geschmack von Freiheit auf der Zunge, heißt mich die eisige Luft Russlands Willkommen.
Die fremdartigen Zeichen der kyrillischen Schrift überall um mich lassen mich spüren, wie weit ich von zu Hause und wie nah ich der heiß ersehnten Freiheit bin. Es ist eine ungewohnte Situation- ich reise mit zwei Fremden in die Wildnis Sibiriens ohne eines Wortes der Landessprache mächtig zu sein und doch zieht mich die Abenteuerlust weiter hinaus, weiter in ungeahnte Sphären und neue Welten.

Der erste Kontakt mit den Einwohnern Russlands ist seltsam- keiner scheint englisch zu sprechen, was für eine Weltmetropole wie Moskau doch sehr ungewöhnlich scheint. Die sowjetische Vergangenheit hat wohl doch noch einen großen Einfluss auf das Russland von Heute, selbst die jüngere Generation scheint im Hinblick auf die Weltsprache keinen bedeutenden Profit vom Fall des eisernen Vorhangs zu haben.
Nichtsdestotrotz schaffen wir es, Tickets in das Herz Moskaus zu organisieren und unseren ersten Anlaufpunkt zu finden: Die Station Sviblovo, wo Maria, ein russisches Mädchen wohnt, die uns über die Seite Couchsurfing.com angeboten hat, uns bei sich für 3 Tage aufzunehmen.
Gleich nach der Ankunft werden wir mit russischer Gemüsesuppe versorgt, Maria ist Vegetarierin (und Nicht-Trinkerin, was mich angesichts meiner Erwartungen bezüglich Russland doch sehr erstaunt), die wir zusammen mit ihrem Freund Michail auf dem Boden sitzend verspeisen- es gibt statt Stühlen ein interessantes Gespräch über die Weltpolitik, Psychologie und russische Musik.

Meine Mitreisenden Evi und David (rechts und links im Bild), Masza, unser Host und ihre Freundin Natascha

Moskau selbst ist in Etwa so, wie ich es mir vorgestellt habe- extremer Reichtum trifft auf extreme Armut. Hinter wunderschönen Kirchen mit den obligatorischen Zwiebeltürmchen, die vor Prunk nur so strotzen, erheben sich weit in den Himmel reichende Hochhäuser, denen man ansieht, wie es um ihre Bewohner steht. Vor den prächtigen Staatsgebäuden stehen in Doppelreihen die Luxuskarossen der hohen Minister, während der Durchschnittsrusse rostige Secondhandkarren aus Japan mit dem Lenkrad auf der falschen Seite fährt.

Kleine bunte Kirche vor einem rießigen Hochhaus



Und auch den Vierteln, die außerhalb der City liegen, sieht man die Armut deutlich an- heruntergekommene Hochhäuser drängen sich aneinander wie ihre Bewohner morgens in der Metro auf dem Weg zur Arbeit und die Menschen laufen durch Bögen aus Stahlrohren zu ihren Wohnungen, deren Inhalt nicht ganz ersichtlich ist, aber äußerst seltsam riecht.



Dennoch bietet die Stadt viel Interessantes zu sehen an- der rote Platz beispielsweise ist beeindruckend. Er wird im Nordwesten vom National Museum begrenzt, das mit seinen weißen Dächern auf dem roten Rumpf aussieht, als wäre es mit Zucker bestreut. Im Nordosten steht das riesige GUM- Kaufhaus, im Südwesten sieht man die Mauer des Kreml und des Leningrabes, was dem roten Platz durch die düster-grauen Mauersteine etwas an Schönheit nimmt und im Südosten thront das beeindruckendste Gebäude des roten Platzes: die Basilius Kathedrale mit seinen Zwiebeltürmchen in allen Formen und Farben, die triumphal in den Himmel ragen.

Der rote Platz



Jede Stunde wird vor dem Kreml eine Zeremonie durchgeführt, die für mich die Mentalität der Russen im Allgemeinen recht gut beschreibt: Junge Männer, die, wie wir von Maria erfahren, ausschließlich Söhne reicher Eltern sind, marschieren in Soldatenuniform mit Militärgebarden um ein unendliches Feuer, pfeifen ab und zu schrill in eine Pfeife und marschieren wieder ab, was den gefallenen Soldaten im zweiten Weltkrieg gedenken soll, aber für Nicht-Russen eher etwas aggressiv und vor allem äußerst seltsam anmutet.

Eigenartige Zeremonie vor dem Kreml zum Gedenken der im 2. Weltkrieg gefallenen Soldaten

Sehenswert ist außerdem „Arbat“, die Künstlerstraße Moskaus. Während Künstler, von expressionistischen Malern über moderne Street Art bis hin zu exzentrischen Tänzern, hier ihr Können zeigen, kann man nebenbei sowohl klassische, als auch ausgefallene russische Architektur bewundern.

Künstlerin auf einer Brücke über der Moskwa

Wer danach zu erschöpft ist zu laufen, aber dennoch etwas mehr von der Stadt sehen möchte, kann sich ein Ticket für die Einschienen- Hochbahn (Monorail) etwas außerhalb der Stadt kaufen (z.B von der Station Timiryazevskaya zu VDNKh, leider bisher nicht auf jedem Metroplan verzeichnet), die langsam entlang der Skyline der Stadt mit seinen belebten Straßen und vergoldeten Türmchen fährt. Die Bahn sollte ursprünglich gebaut werden, um im Zuge der Bewerbung Moskaus als Ausrichter der Expo 2010 das Metrosystem zu modernisieren und die Verbindung zu den internationalen Flughäfen zu verbessern. Nachdem Shanghai als Ausrichter der Expo 2010 erkoren und die Rentabilität der Monorail-Bahn in Relation zu ihrer Geschwindigkeit (kaum schneller als die parallel fahrenden Straßenbahnen) Infrage gestellt wurde, wurde der weitere Bau eingestellt.

Moskau im Allgemeinen wirkt überdimensioniert, in Etwa so wie sich auch die Politiker des Landes geben- es wird versucht, mit Äußerlichkeiten zu ersetzen, was dem Inneren an Struktur fehlt.



Im Gegensatz dazu sind die Menschen, die ich treffe, unglaublich hilfsbereit und großzügig, was sich auch später noch bestätigen wird. Sobald man nur ansatzweise verwirrt und suchend aussieht, ist sofort jemand zur Stelle, der seine Hilfe anbietet und man fühlt sich trotz der Sprachbarriere nicht allein gelassen.

Apropos Sprachbarriere: Überraschenderweise (oder vielleicht auch nicht) sprechen viele der jungen Mädchen in Russland deutsch- unsere Gastgeberin Masza (wie sie von ihren Freunden genannt wird) ist das beste Beispiel dafür-anscheinend haben viele den Wunsch, als Aupair nach Deutschland zu gehen und ihre Sprachkenntnisse zu vertiefen, um vielleicht später dort mal ihr Geld zu verdienen.
Von dem Wunsch russischer Frauen, einen deutschen Mann zu treffen oder gar zu heiraten, was mittlerweile immer öfter Thema in den Medien wird, höre ich von Masza nichts, ebenfalls nicht von einer ihrer Freundinnen, die bereits ihr Aupairjahr in Deutschland sicher hat- aber ich scheine mit den Beiden auch nicht an russischen Durchschnittsfrauen geraten zu sein, wie man sie doch recht häufig auf den Moskauer Straßen sieht:
Gepflegt, Highheels tragend und teilweise etwas exzentrisch gekleidet (wenn man nicht gerade an Pelz und an übertriebene Verwendung von Wildkatzenmustern gewöhnt ist ).

Trotz der großen Unterschiede ist Moskau immer noch eine beliebte Stadt- mit 11,55 Millionen Einwohnern ist sie die größte Stadt Europas und damit zugleich eine der teuersten Städte der Welt laut der Forbes-Liste der World's Most Expensive Cities To Live von 2009.