Der Abschied von Peking fällt uns schwer, aber man soll ja gewöhnlich aufhören, wenn´s am Schönsten ist. Außerdem erwartet uns auch schon die nächste Stadt- Xi´an, der Ausgangspunkt der damaligen Seidenstraße, in der es eine mystische rote Armee zu erkunden gibt.
Doch zuerst einmal müssen wir dorthin kommen; die Dimensionen der Distanzen zwischen den Städten sind in China etwas größer als in Deutschland, ist China etwa gleich groß wie alle Länder in Europa zusammen. Einfacher als gedacht erstehen wir für 19 Euro die Karten, natürlich dritte Klasse (Hard Seats genannt), sonst wär man ja kein Backpacker.
Großer Fehler! 21 Stunden sitzen wir eingequetscht zwischen pausenlos Instantnudeln in sich reinstopfenden Chinesen auf zu kleinen Sitzen im überfüllten Zug- an Schlaf ist hier kaum zu denken. Um den allgemeinen Chinesen zu unterhalten wird allerhand Ramsch verkauft- staunend sehen wir zu, wie viele Menschen hier ganz unbedingt einen Taschenspiegel mit Barbiemotiv brauchen. Unfassbar.
Anschließend, damit der gemeine Chinese nicht verdummt von zu viel in den Spiegel sehen (in einem kommunistischen Land wäre das Provozieren von Narzissmus ja geradezu ironisch) werden auf einer kleinen Tafel Dinge vorgerechnet, deren Sinn sich mir als Nicht-Chinesin irgendwie nicht erschließt.
Gerädert kommen wir dann endlich in Xi´an an. Unser Couchsurfing Host, Joy Jin, schläft noch, also müssen wir unseren Weg dorthin selbst finden. Nach einer interessanten Busfahrt, auf der alle 2 Minuten aus krächzenden Lautsprechern unverständlich die nächste Bushaltestelle verkündet wird, erreichen wir das Viertel in der Joy wohnt- ein regelrechter Hochhauswald, der gerade noch ausgebaut wird, jedenfalls der Teil, den wir in dem dichten Smog erkennen können.
Die Wohnung von Joy, in der sie mit ihrem schottischen Freund wohnt, ist äußerst spartanisch eingerichtet, denn, wie wir erfahren, wollen sie in zwei Tagen nach Peking ziehen. Ihren Freund hat sie auch über Couchsurfing kennen gelernt und nächstes Jahr steht schon die Hochzeit an. Uh la.
Nach einem ausgiebigen Nickerchen brechen wir auf, die neue Stadt zu erkunden. Joy ist auch dabei und zeigt uns zuerst einen Basar, auf dem allerhand verkauft wird. In verschiedenen Gässchen wird Schmuck, Seide und Ramsch angeboten, dann kommen wir in den Essensgässchen an. Ich entdecke eine riesige Schlange an Chinesen, die für etwas anstehen, das in einem ebenso riesigen Bottich verkauft wird. Neugierig stelle ich mich an und werde fürs Warten belohnt- für 50 Cent bekomme ich eine ausgiebige Portion heißen Pflaumenmus-Reis. Mjam!
Dann entdecken wir mitten im Viertel Dächer eines Gebäudekomplexes, das schon von außen märchenhaft aussieht. Überraschenderweise ist es eine Moschee- was man auf den ersten Blick nicht gerade erraten hätte: Um einen gemütlichen Garten sind niedliche graue Gebäude und Arkaden in chinesischem Architekturstil mit ihren gebogenen Dächern und verzierten Balken gruppiert, die eher an sehr alte Tempel erinnern, während auf den kleinen Wegen jedoch die Muslime mit ihren weißen Hütchen in der Sonne wandeln.
Um einen Überblick über die Stadt zu gewinnen, steigen wir auf die Stadtmauer Xi´ans, die sich 13,7 Kilometer um die Stadt spannt. Lustigerweise kann man auf der Mauer Räder mieten, was Jérémy und ich auch unverzagt tun. 1 ½ Stunden cruisen wir auf 12 Metern Höhe um die Innenstadt, während die Sonne langsam untergeht und die Lichterketten die Mauer in gedämpftes Licht tauchen.
Am nächste Tag machen wir uns auf Erkundungstour der roten Armee- es ist eine Armee aus Terakottafiguren, die sich auf 56 Quadratkilometern etwas außerhalb der Stadt erstreckt. Sie wurde 36 Jahre lang, begonnen im Jahr 210 vor Christus, von über 700.000 Arbeitern für den ersten chinesischen Kaiser erbaut- einen 13 jährigen Jungen namens Qin, um diesen nach seinem Tod mit seiner eigenen Armee ausstatten zu können. Um die Armee authentischer zu gestalten, wurde jede Einzelne der ca. 6000 Figuren in Lebensgröße dargestellt und individuell gestaltet, begonnen von Frisur und Mimik bis zum Schuhwerk und den Waffen. Beeindruckend.
Am Abend treffen wir noch einmal Joy und ihren Verlobten zur wie sie behaupten, zweitgrößten „musical fountain show“ in ganz Asien und tatsächlich ist es ein schönes Spektakel- um Punkt 8 erwacht der Brunnen in der Mitte der Stadt zum Leben- Fontänen von Wasser schießen mit Trommelwirbel in die Höhe, schaukeln und schunkeln zu klassischer Musik und rauschen schließlich unter großem Applaus wieder zurück in das Bassin.
Der Besuch in Xi´an war kurz, aber knackig und lässt uns mit einem Lächeln auf den Lippen weiter ziehen.